Zum Hauptinhalt springen

Ikarus wer? Ein alter Mythos im Schnelldurchlauf

Ikarus ist in unserer heutigen Zeit, ähnlich wie Achilles Ferse und Odysseus Irrfahrt,
mehr Symbol als Mythos.
Für viele steht er für Übermut und die Unbelehrbarkeit der Jugend.
Doch Ikarus Geschichte beginnt nicht bei seinem ersten Flug und unsere
Interpretationsmöglichkeiten sollten nicht von Halbwissen beschränkt werden.
Zu Anfang sollte man wissen, dass Ikarus der Sohn Dädalus, eines geschickten
Ingenieurs und Erfinders, war. Dädalus wurde von Minos, dem König Kretas,
beauftragt ein Labyrinth zu entwerfen, das den Minotaurus gefangen halten konnte.
Doch da Dädalus der einzige war, der die Wirrungen des Labyrinths verstand, hielt
Minos ihn und seinen jungen Sohn Ikarus gefangen.
Dädalus konstruierte wächsernen Flügel für ihn und seinen Sohn zur Flucht und sagte
diesem er solle weder zu nah an die Sonne, noch an das Meer fliegen. Man könnte
auch sagen Ikarus sollte sich weder mit zu wenig zu frieden geben noch zu viel
erstreben und stattdessen im Mittelmaß verweilen.
Nun das Ende der Geschichte kennen die meisten. Ikarus missachtete die Warnung
seines Vaters und kam der Sonne zu nah, das Wachs seiner Flügel schmolz, der Junge
stürzte hinab und starb.
Ikarus, mit all seinem jugendlichen Tatendrang, wurde wiederholt in seiner Freiheit
beschränkt, von den Mauern einer Zelle oder der Ermahnung seines Vaters in Schach
gehalten. Und besonders für Leute in unserem Altem ist es doch nachvollziehbar
nach Jahren der Regulierung durch Autoritäten bei erster Gelegenheit die Ketten der
Konvention sprengen zu wollen. Auch das Scheitern der Rebellion, wenn auch nicht
unbedingt in Form des unumgänglichen Untergangs, ist dem Schicksal eines
durchschnittlichen Teenagers nicht unähnlich.
Vielleicht wird Ikarus Fall gerade, weil sein Handeln so nachvollziehbar ist als
Heldentod dargestellt.
Doch wie bei vielen Mythen der Antike gibt es keine einzig wahre Version der
Geschichte.
Eine andere besagt zum Beispiel Ikarus Ungehorsam und damit sein Tod sei die Strafe
der Götter für Dädalus Mord an seinem Schüler und Neffen Perdix, der ihn zu
übertreffen drohte. Musste Ikarus schlussendlich nur für die Vergehen seines Vaters
zahlen?
Auch dieser Blickwinkel macht den antiken Mythos schmerzhaft aktuell.
Welche Interpretation man auch betrachtet, das Ende und die daraus resultierende
Lehre sind unbefriedigend. Deshalb denke ich gern, dass die Ikarus der wahren Welt
aufsteigen und träumen, fallen und bluten und sich erheben als freie Menschen.