Die Weihnachtszeit – Kitsch & Konsum oder echte Herzenswärme?
2023, von Hannah
Die Adventszeit hat wieder begonnen. Unübersehbar stapeln sich schon im September die Lebkuchen im Supermarktregal. Wo auch immer der Blick hin wandert: Weihnachtssterne, Tannengrün und rote Schleifen. Der eine Freund fängt schon wieder mit den Weihnachtsliedern an: „All I want for Christmas is …“ ja, was wollen wir eigentlich? Endlich mal meine Ruhe, oder wenn man die Kinder fragt: ein neues überteuertes Lego-Set, gar nicht anzufangen, vom Onkel, bei dem man wie jedes Jahr monatelang grübelt, aber letztendlich doch wieder nur Socken und Schokolade schenkt.
Naja … immerhin ist es bis zum Weihnachtsstress noch ein bisschen hin.
September: Lebkuchen ignorieren klappt noch sicher.
Oktober: An dem größer werdenden Lebkuchenregal vorbei, denn was wir brauchen sind Kürbisse.
Doch dann kommt der November. Es wird dunkler und in der Nachbarschaft sieht man die Lichter brennen, wenn man 17 Uhr in völliger Dunkelheit nach Hause kommt. Langsam würde ich mich am liebsten im Sessel einkuscheln, den Fernseher anschalten und die grottenschlechten Weihnachtsfilme im Free-TV ansehen.
Wenn ich jetzt durch den Supermarkt laufe, scheinen die Lebkuchen doch eine gute Idee zu sein. Von dem Glühwein direkt daneben könnte man auch ein bis zwei Flaschen mitnehmen, oder? Nicht grundlos nehmen knapp die Hälfte aller Deutschen durchschnittlich 10 % über die Feiertage zu.
Ach was, ich gehöre sicher zu der anderen Hälfte, raunt mir eine Stimme zu. Aber die bunten Aufsteller mit dem Eisbär und den Wichteln sahen doch so nett aus. Nimm doch noch einen für deine Schwester mit. Mutti kommt in letzter Zeit auch öfter als sonst gestresst von der Arbeit – so ein kleiner Glühwein und eine Packung Schokolade mit Spekulatius-Stückchen tun ihr sicher gut und damit uns allen.
Einmal durch den Laden und plötzlich liegen da zwei Kalender, fünf Schokoladen-Weihnachtsmänner und mehrere Boxen Kekse im Wagen. Überall ist ein Weihnachtsmotiv drauf. Aber die Lebensmittel sind nur die Spitze des Eisbergs.
Kaum naht der 1. Advent, beginnt dann die wahre Konsumschlacht.
Ende November findet die „Black-Week“, in denen uns von jeder Seite propagiert wird, dass wir einen neuen Fernseher, ein neues Paar Schuhe oder eine funkelnde Kette „brauchen“, statt. Welche Bedeutung soll Black Week uns überhaupt vermitteln? Der Black Friday bezeichnet den Freitag im Jahr 1929, als die Börse zusammenbrach und die ganze Welt in eine Weltwirtschaftskrise stürzte und hunderttausende von Menschen in den finanziellen Ruin trieb. Wir erinnern uns, wenn auch unscharf, an den Geschichtsunterricht.
Aber genau wie mit den Süßigkeiten treffen Marketingstrategien in der Weihnachtszeit auf willige Kunden, die sich deprimiert durch die Kälte und Dunkelheit den „Dopamin-Kick“ zu erkaufen versuchen.
Während es einfach ist, sich selbst mit Paketen aus sämtlichen Onlineshops, wenigstens für kurze Zeit, glücklich zu machen, sind die Geschenke für unsere Liebsten, Familie und Freunde – ungleich schwieriger. Und die Zeit wird auch immer knapper. Der Weihnachtsstress macht aus uns nur zu umso willigeren Opfer des Konsums.
Wie Vögel im Herbst in den Süden ziehen, strömen die Massen in der Adventszeit jedes Wochenende in die Einkaufszentren. Was schenken wir bloß Tante Gisela?
Nach einigen erfolglosen Überlegungen gehe ich geschwächt und wehrlos zu einem dieser Läden, in denen es ausschließlich sinnlosen Plunder zu Schnäppchenpreisen gibt, und kaufe dort: Kerzen, Tassen oder Socken – selbstverständlich alle mit Weihnachtsmotiv – selbstverständlich überflüssig im Haushalt der Beschenkten. Ich könnte ja auch für diese eine Freundin und die Arbeitskollegin noch ein paar mitnehmen. Die sehen so schön aus, da fällt Tante Gisela sicher nicht auf, dass es die fünfte Tasse in den letzten sechs Jahren ist.
Bin ich nun zufrieden mit mir selbst, dass ich etwas für sie gefunden habe? Oder tröstet mich diese Illusion über meine Niederlage gegen die professionellen Marketingstrategien? Jetzt könnte ich mich doch mit einem Besuch bei Depot belohnen. Jeder, der schon einmal diesen Laden betreten hat, weiß bestimmt, dass man aus diesem Geschäft nicht mit leeren Händen kommt. Ja, es ist Weihnachtszeit – da muss die Wohnung schon ein wenig dekoriert werden. Das Ganze geht in einigen Haushalten so weit, dass die Weihnachtsdekoration jedes Jahr komplett erneuert wird. Welch ein Siegeszug für die Wegwerfgesellschaft!
Rund 11 Monate des Jahres reden wir in Deutschland von Nachhaltigkeit und dem sparsamen Umgang mit Ressourcen, aber in der Weihnachtszeit scheinen diese Gedanken kurzfristig aus den Köpfen verschwunden zu sein. Deutschland importiert in der Weihnachtszeit rund 30.000 Tonnen Lichterketten, Christbaumschmuck und Weihnachtsdekoration, davon etwa ein Drittel mit Containerschiffen aus China.
Denn Weihnachten ist zu einem Fest unserer Konsumgesellschaft geworden, welches sich immer weiter von den ursprünglichen Werten der Freude, Familie, Besinnlichkeit und vor allem Dankbarkeit und selbstlosem Schenken entfernt hat.
Doch vielleicht sind der Stress und die Geschenke nur der Versuch, unserer Familie und Freunden zu zeigen, was sie uns bedeuten. Vielleicht ist es uns das Grübeln und Geld ausgeben wert, damit wir dann am Tisch sitzen und die Zeit genießen, in der wir die schönste Freude des Jahres mit denen teilen, die uns am Herzen liegen. Vielleicht geht es dir genauso.
Wir machen uns so viele Gedanken um das richtige Geschenk, weil wir echte Freude schenken wollen. Die Hoffnung auf das Leuchten in den Augen unserer Liebsten öffnet leicht unsere Geldbeutel. Das zeugt doch davon, dass wir alle bereit sind zu geben, zu verzichten und selbstlos anderen Freude zu schenken. Gerade wenn die Tage kurz sind, düster, kalt und verregnet – gerade dann brauchen wir Licht in unseren Wohnungen, in den Herzen und wohlige Genüsse auf dem Tisch und in der Nase. Vielleicht versucht jeder von uns, die Freude am Weihnachtstisch wieder zu finden – auch die Freude über die unvermeidlichen Socken zu Weihnachten, denn Socken können bedeuten: „Du sollst immer warme Füße haben, weil ich dich lieb habe“. Die 15. Tasse raunt dir zu: „Ich möchte jeden Tag Wärme in deinen Bauch bringen und damit auch in dein Herz“. Kerzen, ob nun mit oder ohne Duft, flüstern ganz still: „Da ist immer ein Licht für dich, denn du bist geliebt“.
Vielleicht entkommen wir auch ein wenig dem Konsumwahnsinn, wenn wir einige Zeilen an unsere Familie und Freunde verschenken, die ihnen sagen, was wir an ihnen schätzen, was wir ihnen von Herzen wünschen oder wie dankbar wir sind, dass sie in unserem Leben sind und bleiben. Wie wäre es mit einem aufgenommenen, selbst gesungenen Lied? Oder „Zeit statt Zeug“, denn welche Oma freut sich nicht über einen Spaziergang oder einen Besuch, Socken hat sie möglicherweise wirklich schon genug.
Im Geist von Licht, Freude und Liebe wünsche ich euch allen und eurer Familie eine schöne Adventszeit und ein glückliches Weihnachtsfest.